Stelidota geminata - eine neue Adventivart in Deutschland

Stelidota geminata Say, 1825 (Col., Nitidulidae) 
- eine neue Adventivart in Deutschland
FRANK KÖHLER
Ein Foto in einem Internetforum gibt Anlaß auf diesen aktuellen Erstnachweis in Deutschland hinzuweisen: Im badischen Bötzingen nahe dem Kaiserstuhl  fand Gabi Krumm am 31.VIII.2007 einige Exemplare von Stelidota geminata zusammen mit Epuraea ocularis in einem Obstgarten an einer faulenden Birne am Boden. Eine Bestimmung erfolgte kurze Zeit später von Boris Büche, der darauf hinweist, das die Art in Italien bereits eingebürgert ist. Da mit einer möglichen raschen Ausbreitung der Glanzkäferart Stelidota geminata zu rechnen ist, sollen hier kurz einige Anmerkungen zur Erkennung, Verbreitung und Lebensweise gegeben werden, so dass eventuell in diesem Herbst noch weitere Nachweise getätigt werden können. Stelidota geminata, Weibchen (Foto: G. KRUMM)

Erkennung
Die Gattung Stelidota gehört in die Unterfamilie Nitidulinae und erinnert im Habitus an die Gattungen Pocadius oder eine gewölbte Soronia, die vorliegende Art ist mit 2 bis 3 mm aber vergleichsweise klein. Das Erkennungsmerkmal der Gattung sind die verbreiterten Glieder an allen Tarsen (ARNETT 1973), was auf einem Foto von Stelidota octomaculata gut zu erkennen ist. Wie viele Nitiduliden besitzen auch die Männchen besondere Auszeichnungen an den Beinen, hier apical stark erweiterte Mittel- und Hinterschienen, die ein wenig an die Vorderschienen bei Soronia-Männchen erinnern. Über die Gattungsmerkmale ist unsere Adventivart gut anzusprechen, weitere Details sind den Fotos zu entnehmen, die von Gabi Krumm freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurden.
Verbreitung
Die Gattung ist mit mehr als einem Dutzend Arten nahezu weltweit vertreten. Bei Stelidota geminata handelt es sich ursprünglich um eine Art der subtropischen Zone der Nearctis und Neotropis, die in Länder der Orientalis und des Nahen Ostens verschleppt wurde und mittlerweile auch nach Europa importiert wurde und sich in Gebieten um das Mittelmeer eingebürgert hat (AUDISIO & JELINEK 2004): Italien, Frankreich, Türkei, Slovenien, Schweiz, Spanien (Kanarische Inseln). In Italien erfolgte der Erstnacheis im Jahre 1995 (RATTI 2007). Auch aus Österreich wird die Art mittlerweile gemeldet: In Kärnten fand HOLZSCHUH in Gritschach am 1.IX.2005 an am Boden liegenden faulenden Äpfeln sechs Exemplare dieser Art (JELINEK det., HOLZSCHUH et al. 2006).
Stelidota geminata, Männchen (Foto: G. KRUMM)

Die Fundumstände erinnern stark an die ersten baden-württembergischen Nachweise von Epuraea ocularis (KONZELMANN 2001), die sich in den Folgejahren rasch in Deutschland ausbreitete und heute schon aus 12 von 17 Regionen bekannt ist - von Baden flächendeckend nach Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Nordrhein-Westfalen und Nierdersachsen sowie - noch isoliert - aus Berlin. Auch wenn der Erstnachweis im klimatisch begünstigten Kaiserstuhlgebiet liegt, ist doch mindestens mit einer Ausbreitung entlang des Rheines bis nach Hessen und Rheinland-Pfalz zu rechnen. Die Lebensweise der Art, die im folgenden skiziert werden soll, macht es besonders einfach, ihre Ausbreitung zu dokumentieren.

Lebensweise
In weiten Teile der USA hat sich der Strawberry Sap Beetle (Erdbeer-Glanzkäfer) mit ebenfalls expansiver Tendenz zunehmend zu einem landwirtschaftlichen Problem entwickelt, dass sich in einer Vielzahl von Berichten in der Schädlingsforschung und Internetquellen niederschlägt. Darin wird beispielsweise beschrieben, dass die Käfer zur Reifezeit der Erdbeeren aus nahegelegenen Waldgebieten, angelockt durch überreife Früchte, in die Felder einfliegen und dort tiefe Löcher in die Erdbeeren fressen. In die verletzten Früchte legen die Weibchen anschließend ihre Eier. Die Larven werden zumeist nicht bemerkt, da beschädigte und faulende Früchte nicht geerntet werden, wobei die Schäden aus Selbstpflücker-Feldern besonders hoch sind, da hier sehr viele reife Früchte nicht geerntet werden. Dementsprechend sind die Käfer durch eine Kompletternte ("clean picking") leicht zu kontrollieren. Alternativ verhindern attraktivere Fallenkörbe mit überreifen Früchten außerhalb der Felder einen Einflug des Erdbeer-Glanzkäfers.

Problematisch ist Stelidota geminata wohl auch aufgrund ihres kurzen Lebenszyklus. Unter Laborbedingungen (WEBER & CORNELL 1975) legten Weibchen durchschnittlich 346 Eier, die sich in 20 Tagen bis zum Käfer entwickelten. Die Larven fraßen nur fünf Tage an den Früchten, um sich dann anschließend im Boden zu verpuppen. Die Imagines lebten 58 Tage, das Geschlechter-Verhältnis betrug 1:1, die Paarung erfolgte vier Tage nach dem Schlupf, die Eiablage fünf Tage später.

Prognose
Da nur die Imagines überwintern und die Art ein gewisses Wärmebedürfnis hat, ist fraglich, ob in Mitteleuropa mehr als ein oder zwei Generation im Jahr möglich sind. Stelidota geminata geht nicht nur an Erdbeeren, sondern auch an verschiedene andere reife Früchte an Bäumen. In bewirtschafteten Intensivbeständen dürfte die Art in Mitteleuropa wohl kaum auftreten, in extensiv bewirtschafteten Beständen und auf Brachen wird sie kaum auffallen, da sie, wie viele andere heimische Arten, an wirtschaftlich bedeutungslosem Fallobst vorkommen kann. Hier gilt es zu sehen, wie schnell die Art sich ausbreitet und wie häufig sie sein wird. Eines ist aber gewiss: Sobald sogenannte "Pflanzenschützer" von dem Käfer hören, werden auch hierzulande einige wohl überflüssige Alarmglocken geläutet. 

Weitere Nachweise

  • Baden: Ihringen, RENNWALD, 15.IX.2007, 20 Ex. an 30 kontrollierten, faulenden Birnen, zusammen mit 50 Epuraea ocularis und einem Glischrochilus quadrisignatus und 17.IX.2007 Kontrolle an faulenden Äpfeln, bis zu drei Ex. an jedem zweiten Apfel. Käfer sind nur schwer zu finden, da sie oft am Boden oder im Gras sitzen.
  • Baden: Kehl, RENNWALD, 16.IX.2007, 6 Ex. an fünf faulen Äpfeln zusammen mit 3 Ex. Epuraea ocularis.
  • Elsaß: Nordhouse, CALLOT, 15.IX.2007, in Anzahl in einer Kiste mit verrottenden Äpfeln, zusammen mit Hunderten Epuraea ocularis (CALLOT 2007). Weitere Recherchen zeigten, dass die Art im Juli 2004 bereits in Mühlhausen gefunden wurde und heute zwischen Rhein und Vogesen sowie Straßburg und Sélestat verbreitet ist (9 Fundorte).
  • Baden: Leiselheim am Kaiserstuhl, MATERN, 13.IX.2007, massenhaft an Fallobst.
  • Baden: Nimberg bei Bottingen, ROPPEL, X.2007, in Anzahl in einem Trestergesiebe (www.entomologie.de).
  • Baden: Bietigheim bei Rastatt, KONZELMANN, 15.X.2007, 1 Männchen zusammen mit zahlreichen Epuraea ocularis und einigen Carpophilus hemipterus an faulen Äpfeln auf einer Obstwiesenbrache. Trotz intensiver Nachsuche keine Nachweise im mittleren Neckarraum (KONZELMANN i.l.).
  • Baden: Malsch, REIBNITZ, 22.9.2007, 1 Ex. an faulen Äpfeln.
  • Baden: Bischweiler, MAUER, VIII.2008 (www.maurer-ulrich.de)
  • Württemberg: Freudenstein-Knittlingen, Kreis Pforzheim, 250 m, BRETZENDORFER, 19.10.2008, zwei Männchen an faulen Äpfeln (BRETZENDORFER i.l.).
  • Württemberg: Asperg, BRETZENDORFER, 21.X.2008, 1 Ex. an einem faulenden Apfel (REIBNITZ i.l.).
Literatur:
ARNETT, R. (1973): The Beetles of the Unites States. - New York.
CALLOT, H. (2007): Stelidota geminata (Say, 1825), espèce envahissante américaine, 
est bien implantée en Alsace, comme ailleurs dans la haute vallée du Rhin. - L’Entomologiste 63 (5), 287.
KONZELMANN, E. (2001): Epuraea (Haptoncus) ocularis FAIRMAIRE an faulendem Kernobst in Baden, Württemberg und in der Pfalz (Coleoptera: Nitidulidae).- Mitt. ent. Ver. Stuttgart (Stuttgart) 36, 35-43.
RATTI E., 2007 – Coleotteri alieni in Italia/Alien Coleoptera in Italy. Vers. 2007-05-25. http://www.msn.ve.it.
SCHUH, R., I.S. PLONSKI & M. BROJER (2006): Bemerkenswerte Käferfunde aus Österreich (XIII) (Coleoptera). - Koleopterologische Rundschau (Wien) 76, 441-444.
WEBER, R. G. & W. A. CONNELL (1975): Stelidota geminata (SAY): studies of its biology (Coleoptera: Nitidulidae). - Annals of the Entomological Society of America 68, 649-653.